"FRIENDS"-Autoren gesucht (19.05.2010)

Liebe Leserinnen und Leser,

seit 15.05.2010 ist dieses Blog 3 Monate im Netz. Mit den drei bisher in dieser Zeit eingestellten Kurzgeschichten, habe ich somit eine Kurzgeschichte pro Monat (Nick Evans/Friends) veröffentlicht. In absehbarer Zeit beabsichtige ich, den Schnitt auf zunächst zwei Kurzgeschichten je Monat zu erhöhen.

Um dieses Ziel zu erreichen, suche ich 3 bis 4 Hobbyautoren, die Lust haben, in der Rubrik Friends ihre eigenen Kurzgeschichten zu veröffentlichen.
Dabei ist es unerheblich, ob Sie diese Kurzgeschichte bereits woanders veröffentlicht haben (obwohl bisher unveröffentlichte Werke in diesem Blog besonders willkommen sind).

Wichtig ist, daß Sie sämtliche Rechte an Ihren Kurzgeschichten haben, die selbstverständlich dann auch weiterhin bei Ihnen bleiben.
Zudem sollten sich Autoren, die gerne in diesem Blog veröffentlichen möchten, mit ihren Stories in den Genrebereichen bewegen, die mit den hier vorgestellten Kurzgeschichten und der Kurzgeschichten Sammlung VIP-very impertinent people von Nick Evans korrespondieren.

Somit ist dieses Blog auch zukünftig in der Lage, gezielt ein Publikum anzusprechen, welches nach derartigen Geschichten sucht.
Da dieses Blog auch über einen Anteil an internationaler Leserschaft verfügt, kann ein Abdruck Ihrer Kurzgeschichte in englischer Sprache gleichfalls in Erwägung gezogen werden, sofern Sie mir die Story druckreif zur Verfügung stellen.


Natürlich ist mir bewußt, daß es ausreichend Anbieter im www gibt, die Sie als Präsentationsplattform für Ihre Werke nutzen können. Und Nick Evans & Friends: Fan- und Kurzgeschichten Blog beabsichtigt nicht in geringster Weise, mit diesen Anbietern zu konkurrieren. Weder jetzt, noch zu einem späteren Zeitpunkt.
Doch bitte bedenken Sie: auch dieses Blog erfreut sich einer kontinuierlich und konstant steigenden Leserschaft (und ist schließlich gerade einmal 3 Monate im Netz). Wer weiß, wo Nick Evans & Friends: Fan- und Kurzgeschichten Blog in einem Jahr steht?

Zudem wären Sie bei uns nicht ein Autor von tausenden; Ihre Kurzgeschichte wäre nicht eine von zehntausenden bei uns. Somit wäre es IHRE Chance, daß IHRE Kurzgeschichte auch gelesen und nicht nur abgelegt und trotz starker Besucherzahlen nur von einigen wenigen wahrgenommen wird.
Und wer weiß? Vielleicht findet sich ja irgendwann in naher Zukunft dann die Möglichkeit…

Sollte ich IHR Interesse geweckt haben, würde ich mich über Ihre Kontaktaufnahme mit mir per Email freuen. Die Adresse finden Sie im Impressum.

Bis dahin, liebe Leserinnen und Leser… so long…



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"Miller goes shopping" - Eine Kurzgeschichte von Nick Evans (06.05.2010) PART 2

Während er sich langsam in die Richtung bewegte, aus der der Laut gekommen war, ließ Frank Chapman, so hieß der Mann mit der Maske, den Ladenbesitzer nicht einen Moment aus den Augen. Er wusste, dass diese Typen fast immer irgendeine Waffe unter der Theke liegen hatten. Und sei es nur ein Baseballschläger. Sie wurden zu oft überfallen oder hatten von Anderen gehört und/oder gelesen, die überfallen worden waren, als dass sie sich nicht in dieser Richtung absicherten. Aber nur allzu oft brachte sie genau diese vermeintliche Absicherung in Teufels Küche. Sie sahen sich nicht gern in der Rolle der hilflosen Opfer und versuchten die Helden zu spielen und PAAM – lagen sie am Boden und röchelten ihr hilfloses Leben aus.

Chapman hörte erneut ein Geräusch aus der Richtung, aus der schon das erste gekommen war. Diesmal hörte es sich an wie ein leises Wimmern, das aber sofort im Ansatz erstickt wurde. Doch dieser eine Moment, diese eine Sekunde hatte gereicht, um Chapman's Aufmerksamkeit abzulenken und den Lauf der Waffe in die entsprechende Richtung zu schwenken. Und dieser kurze Moment reichte Dworski zum handeln aus. Er hatte in jungen Jahren eine Ausbildung bei den Marines genossen, und war sogar eine Weile Mitglied der SOCOM, des Special Operations Command gewesen, sozusagen eine Elite innerhalb einer Eliteeinheit. Das Wort aufgeben existierte nicht in seinem Wortschatz. Und sicher wäre seine Aktion auch von Erfolg gekrönt gewesen, wenn er nicht eine winzige Möglichkeit übersehen hätte: die Mitwirkung eines Zweiten Mannes.

„Rück' die Kohle raus und wir sind hier Ruck-Zuck wieder draußen.“

Wie hatte ihm das entgehen können? Und als er den ersten Räuber, Chapman, im Visier hatte, war es auch schon zu spät, seinen Fehler zu korrigieren. Denn als in diesem Moment erneut die Eingangstür aufflog und ein zweiter Maskierter mit Waffe im Anschlag den Laden stürmte, überschlugen sich die Ereignisse.



Betrat war sicher nicht das richtige Wort. Enterte wäre sicher der treffendere Ausdruck gewesen. Daniel Miller hatte beobachtet, wie dieser Typ mit der Maske eine Waffe zum Vorschein gebracht hatte, noch ehe er durch die Tür war. Die Straße war um diese Zeit menschenleer – und das war auch gut so. Nicht auszudenken, was für ein Szenario hätte entstehen können, wenn zusätzlich noch irgendwelche Passanten mit ins Spiel hinein gezogen worden wären. Miller wäre beinahe vor Scham errötet, als er sich gewahr wurde, dass er noch vor gar nicht allzu langer Zeit in Begriff gewesen war, ein ähnliches Vorhaben in die Tat umzusetzen. Genau aus dem Grund stand er jetzt hier. Allerdings hatte er den Gedanken in dem Moment wieder verworfen, als sein Verstand die aktuelle Situation erfasst hatte. Sein Instinkt zwang ihn zu einer anderen Handlungsweise. To protect and serve. Der Gedanke hatte sich in sein Hirn eingebrannt und, das wurde ihm schlagartig klar, würde sein Tun in den nächsten Minuten, Stunden – wer konnte das schon genau wissen – beherrschen. Er war noch etwa 50 Meter vom Ort des Geschehens entfernt. Zeit für eine kurze Systemanalyse. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was für eine Situation ihn da drinnen erwartete. Aber er wusste auch, dass er nicht viel Zeit hatte, sich über seine Vorgehensweise Gedanken zu machen. Auf der anderen Straßenseite sah er einen Yuppie, der, während er gedankenverloren vor sich her trottete, irgendwelche Anweisungen über das Headset seines Handys durchgab. Das war doch schon mal ein Anfang. Miller spurtete auf ihn zu und war selber verwundert, wie sportlich er noch für jemanden war, der...verdammt, wie lange nur?...auf der Straße, respektive im Central Park gelebt hatte.

„Sir, tut mir leid, ich brauche ihr Handy. Sofort!“

Der Kerl starrte sein unrasiertes, übelst riechendes Gegenüber nur verständnislos an und machte keinerlei Anstalten, dessen Aufforderung nachzukommen. Miller wusste, dass ihm nicht die Zeit für irgendwelche Scheiß Spielchen blieb. Also zögerte er nicht, dem Mann direkt seine Waffe unter die Nase zu reiben und seine Aufforderung zu wiederholen.

„Sofort!“

Und diesmal reagierte der sofort.

„Und sehen Sie zu, dass Sie hier wegkommen. Hier könnte es nämlich gleich etwas ungemütlich werden.“

Dann tippte er, ohne sich weiter um den Anderen zu kümmern, die 911 in die Tastatur des Handys.

„Schicken sie einen Einsatzwagen und einen Notarzt!“

Er gab die Adresse durch.

„Hier ist ein Überfall mitten im Gange.“

Nachdem er aufgelegt und das Handy in seiner Manteltasche verstaut hatte, wurde ihm bewusst, dass der Rucksack, den er mit sich rumschleppte, bei seinem Vorhaben hinderlich sein könnte. Er zog den Mantel aus, zog den Riemen der Tasche über seinen Kopf auf seine andere Schulter, so dass die Tasche nun quer über seiner Brust baumelte und zog den Mantel wieder an. Dann umfasste er den Kolben der Waffe in seiner Manteltasche und machte sich auf den Weg.



Die Gedanken rasten in Bruchteilen von Sekunden durch Dworski's Schädel. Die Situation war verzwickt. Nein, es war falsch, sich das einzureden. Sie war aussichtslos. Ihm war klar, dass selbst ihm nicht genügend Zeit bleiben würde, alle beide zu erledigen. Also versuchte er das Einzige, dass ihm in seiner Lage zu tun richtig erschien: sich auf die Knie fallen zu lassen, um hinter der Theke Deckung zu suchen. Und in den nächsten, wenigen Augenblicken, die ihm wie Minuten erschienen, geschah Folgendes: er spürte einen Schlag an der Schulter, der seinen Oberkörper jäh zurück warf, und dann einen zweiten in den Bauch, der ihn wieder in seine Ausgangsstellung zurück brachte. Dann, ohne dass er etwas dazu getan hätte, spürte er, wie seine Beine unter ihm nachgaben und sah die Theke, jetzt in rasender Geschwindigkeit, auf sich zukommen. Und schließlich ging das Licht aus. Er bekam nicht mehr mit, wie der zweite Maskierte über die Theke hechtete und sich, die Waffe auf ihn gerichtet, über ihm postierte, um ihm den Rest zu geben.



Daniel Miller wusste, das ihm nun keine Zeit mehr blieb, sich einen Plan zurechtzuschustern als er den maskieren Mann hinter der Theke stehen sah, die Waffe nach unten auf ein Ziel gerichtet, dass er jedoch nicht sehen konnte. Er handelte instinktiv. Die Tür aufstoßen und den Räuber anrufen waren eine Aktion, und als der nun wiederum ihn ins Visier nahm, zögerte Miller keinen Moment, seine Waffe abzufeuern. Einmal, zweimal. Er sah, wie sein Gegenüber von den beiden Projektilen herumgerissen und in das hinter ihm stehende Regal geschleudert wurde und dann zu Boden ging. Gleichzeitig hörte er ein Geräusch aus dem hinteren Teil des Ladens, gefolgt von einer Männerstimme.

„Verpiss dich, Bulle! Ich hab hier hinten zwei Geiseln.“

Dann folgte der kurze, spitze Aufschrei einer Frau.

Der Kerl, wenn es nur einer war, hatte also Geiseln und hielt ihn für einen Bullen. Was jetzt? Er musste den Mann irgendwie aus der Reserve locken; ihn von den Geiseln ablenken. Wohlgemerkt: wenn es nur einer war. Dann fiel ihm der Monitor auf, der, im 10-Sekunden-Rhytmus abwechselnd, die Aufzeichnungen der beiden Überwachungskameras wider gab. Die eine Kamera folgte den vier Gängen in Längsrichtung vom Eingang entlang der Warenregale bis zur Stirnseite. Die zweite zeigte den Quergang entlang der Stirnseite, der von der Ladentheke aus schlecht einzusehen war. Und genau dort, am Ende des Warenregals, welches Gang 3 von Gang 4 trennte, hatte sich der zweite Räuber mit seinen Geiseln in Kauerstellung verschanzt. Miller war klar, dass er die Sache zu einem schnellen Ende bringen musste. Wenn er diesem Scheißkerl die Gelegenheit zum Nachdenken gab, würde es darauf hinauslaufen, dass er ihn mit der Drohung, den Geiseln etwas anzutun, zur Herausgabe seiner Pistole nötigen würde. Und dann wäre er handlungsunfähig – im schlimmsten Falle tot.

„Hören Sie“, rief er, „ich bin nicht von der Polizei. Aber die Polizei wird gleich hier eintreffen. Ich habe sie gerufen, bevor ich hier rein kam. Und dann gibt es für Sie kein zurück mehr. Noch ist nichts passiert. Sie können noch heil aus der Sache raus kommen. Marschieren Sie einfach hier raus, und draußen lassen Sie die Geiseln frei. Ich werde mich Ihnen nicht in den Weg stellen. Ich stehe hier in Gang eins und habe beide Hände über den Kopf erhoben.“

Es verging etwa eine halbe Minute, in der nichts passierte. Dann vernahm Miller eine Bewegung und ein klirrendes Geräusch, das vermutlich von einer zerborstenen Glaskonserve herrührte, die aus einem Regal gefallen war, als der Kerl sich daran abgestemmt hatte, um aus seiner hockenden Position in die Aufrechte zu gelangen. Schritte näherten sich, und schließlich erschien der Mann, der immer noch seine Maske trug, mit seinen beiden Geiseln, einer Frau von etwa Anfang bis Mitte dreißig und einem kleinen Mädchen von etwa fünf Jahren, die er wie einen Schutzschild vor sich herschob. Miller hielt beide Hände hoch in die Luft gestreckt, den Kolben der Waffe immer noch fest umschlossen.

„Wie Sie sehen, habe ich nicht gelogen“, sagte Miller in möglichst ruhigem Ton, und in dem Augenblick meinte er zu erkennen, wie sich die Lippen seines Kontrahenten zu einem grausamen Lächeln verzogen.

„Dein Fehler, Bulle. Was mich betrifft – ich habe keine Versprechungen gemacht. Sag cheeeeeese!“

Miller sah den Lauf der Waffe auf sich gerichtet und musste sich eingestehen, dass er sich den Verlauf der Geschichte so nicht vorgestellt hatte. Gleichzeitig verspürte er einen Schlag gegen die Brust, der ihn zurück warf und rücklings zu Boden gehen ließ. Er registrierte, dass der Mann sich nun seines Sieges sicher genug war, um die Frau und das Kind loszulassen und mit langsamen Schritten, die Waffe locker am Körper herab hängen lassend, auf ihn zu kam. Miller hatte keine Ahnung, wie es ihm gelang, angeschlagen wie er war, wiederum seine Pistole in Anschlag zu bringen und gleichzeitig abzudrücken. Aber wenn er das hier überlebte, würde er sich an das überraschte Entsetzen in den Augen des Maskenmannes erinnern, als dieser getroffen zusammenbrach.



In weiter Ferne waren die Sirenen der eintreffenden Polizei und des Notarztwagens zu hören. Miller lehnte halbwegs aufrecht sitzend mit dem Rücken an der Ladentheke, und die junge Frau, die Marilyn van der Gruiten hieß, hatte sich auf dem Boden neben ihn niedergelassen.

„Sie sind nicht wirklich von der Polizei, oder!?“

Miller schüttelte kaum merklich den Kopf. „Nicht, dass ich wüsste. Ich weiß es wirklich nicht.“

„Ich weiß nicht, warum Sie getan haben, was Sie getan haben. Aber ich werde Ihnen ewig dankbar sein. Und meine Tochter auch.“

„Schon gut“, sagte Miller. „Seien Sie so gut und schauen hinter die Theke, wie's dem Ladenbesitzer geht.“

Marilyn van der Gruiten verschwand hinter der Theke, während Miller an sich herunter sah und nach etwas wie einer blutenden Wunde suchte. Aber er konnte nichts erkennen, weil ihm immer noch die Umhängetasche vor der Brust hing. Er schob sie beiseite, konnte aber immer noch nichts erkennen. Natürlich, das war's: irgend etwas im Inneren der Tasche musste die Kugel, die ihm gegolten hatte, abgehalten haben. Miller öffnete die Tasche und nahm ihren Inhalt genauer unter die Lupe. Dann öffnete er auch die Brieftasche, in der das Projektil steckte und war nicht über die Maßen überrascht, als er die Polizeimarke entdeckte, die das Geschoss aufgehalten hatte und unmittelbar daneben das Foto eines Mannes in Polizeiuniform, der ein bisschen Ähnlichkeit mit Perry King in jüngeren Jahren aufwies. So seh' ich also unter dem ganzen Dreck und Fell aus, dachte er. Aber wirklich einen Reim auf die ganze Sache konnte er sich erst machen, als er die Zeitung, in die seine Waffe eingewickelt gewesen war und die vom 13. April 2007 datierte, auseinander faltete und den Artikel auf der ersten Seite las.


Police Detective unter Mordverdacht

Neue Erkenntnisse im Fall der ermordeten Familie des dem Raubdezernat zugehörigen Police Detectives Daniel M.?

Die zunächst in Richtung eines Raubmordes abzielenden Ermittlungen im Fall der in der Nacht vom 03. Februar auf den 04. Februar 2007 getöteten Amanda M. und deren beiden Kindern Ralph und Emilie, konzentrieren sich neuerdings auf den Ehemann und Vater der Familie. Der 42-Jährige konnte bisher nicht zu den Anschuldigungen befragt werden, da er sich offensichtlich auf der Flucht befindet. Der Verdacht war aufgekommen, nachdem eine Nachbarin der Familie den Detective in der Mordnacht mit blutverschmierter Kleidung...



Marilyn van der Gruiten's Stimme riss Daniel Miller in die Gegenwart zurück.

„Ich bin keine Ärztin, aber ich denke, er wird’s überleben.“

O Gott! Ganze drei Jahre war er von der Bildfläche verschwunden gewesen. Amanda und die Kinder hatten ihn also nicht verlassen. Sie waren tot, und wenn er es bisher nicht gewusst hatte, war es dann nicht auch möglich, dass die Zeitungsschmierer recht hatten? Jedenfalls, so, wie er das jetzt sah, hatte er das Schlimmste erst noch vor sich.

In diesem Moment stürmte die Polizei das Geschäft.



„Du bist jetzt ein Held, Danny-Boy. Keine Zeitung in New York, die nicht über dich schreibt.“

Daniel Miller stand frisch geduscht und rasiert in seiner Uniform vor dem Spiegel des Toiletten-Vorraums und richtete seine Krawatte. In einer halben Stunde sollte er vom Bürgermeister seine Auszeichnung für heldenhaftes Verhalten in Empfang nehmen.

„Ja, aber wenn du nicht so hartnäckig gewesen wärst, könnte ich jetzt genauso gut wegen Mordes im Knast sitzen.“

Detective Walter Applecot übte sich in Bescheidenheit. „Das pure Glück. Wenn diese Drecksau nicht dämlich genug gewesen wäre, drei Tage nach deinem Verschwinden in der unmittelbaren Nachbarschaft noch mal ein ähnliches Ding abzuziehen...wer weiß? Aber mach dir um Himmels Willen jetzt darüber keine Gedanken mehr. Die Sache ist gegessen.“

Doch Amanda und die Kinder waren tot. Daran würde nichts etwas ändern. Aber vielleicht konnte er es ja schaffen ein neues Leben zu beginnen. Er war jedenfalls fest entschlossen, es wenigstens zu versuchen.

To protect and serve.




Sämtliche Rechte an „Miller goes shopping“ liegen bei Nick Evans





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"Miller goes shopping" - Eine Kurzgeschichte von Nick Evans (03.05.2010) PART 1

Als Daniel Miller an diesem Morgen erwachte, stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Soweit alles wie gehabt. Dennoch schien irgend etwas anders zu sein an jenem Tag im April. Vielleicht nur ein Gefühl; vielleicht mehr.
Er blinzelte, um seine Augen behutsam an das grelle Licht zu gewöhnen. Irgendwer oder irgendwas hatte ihn geweckt. Die Parkbank war hart. Aber das war es nicht. Wahrscheinlicher war, dass ihn die Jugendlichen, die sich gegenüber lautstark die nächsten Spielzüge quer über den zum Footballfeld umfunktionierten aber ansonsten gepflegten Rasen zubrüllten, aus seinen Träumen gerissen hatten.
Das war schon in Ordnung. Meistens machten seine Träume ihn eh nur fertig. Denn während andere von Heldenmut oder Reichtum träumten, blieb Miller selbst dort ein Versager.

Er stemmte seinen Kadaver hoch und versuchte in eine halbwegs aufrechte Sitzposition zu gelangen. Ihn fröstelte ein wenig obwohl er einen Mantel an hatte und die Temperaturen sich im zweistelligen Bereich bewegten. Dann registrierte er, dass seine Sachen feucht waren. Bitte lass es nicht das sein, was ich denke! Tatsächlich hatte es nur die ganze Nacht hindurch geregnet. Die Luft um ihn herum waberte, so dass er seine Umgebung nur wie durch einen Schleier wahrnahm. Verdammt, das sind meine Klamotten, die wabern. Die inzwischen recht intensiven Sonnenstrahlen verdunsteten die Feuchtigkeit, die ihm noch in der Kleidung steckte, und bei dem Gestank nach Urin und abgestandener Kotze, der ihm in die Nase stieg, wäre es ihm beinahe erneut hochgekommen. Ein trockenes Husten, ein kontrolliertes Würgen – dann war der Anfall vorbei.

Daniel Miller suchte den Boden in der näheren Umgebung nach Zigarettenstummeln ab, fand den Rest einer nur zur Hälfte gerauchten und dann achtlos weggeworfenen Kippe und steckte sie sich zwischen die aufgesprungenen Lippen. Der tägliche Überlebenskampf hatte begonnen.

Miller war vor etwa zwei Stunden aufgestanden. So genau wusste er es nicht, da er keine Uhr besaß. Abgesehen davon, dass der Besitz einer Uhr nachts im Central Park nicht ganz ungefährlich war, weil es nur seinesgleichen anlockte, hätte er auch gar nichts damit anzufangen gewusst. Zeit war die einzige Sache, die er im Überfluss hatte. Sein Magen sagte ihm in der Regel, was die Stunde geschlagen hatte. Normalerweise, dachte er, würde ich in etwa um die Zeit die Vögel am Turtle Pond füttern. Aber an diesem Tag hatte er bis zu diesem Zeitpunkt selber weder etwas zu essen noch ein bisschen Kohle abgreifen können. Vielleicht könnten ja die Vögel zur Abwechslung mal mich füttern. Da konnte er lange warten. Die würden ihm was scheißen. Apropos...

Miller war jedes mal froh, wenn er diese für ihn unangenehmste Verrichtung des Tages hinter sich gebracht hatte. Einer wie er konnte es ohne Mühe schaffen, zumal in New York, sich 24 Stunden am Tag unter zigtausenden von Menschen zu bewegen, ohne von ihnen wahrgenommen zu werden. 
Aber sobald er einen Ort aufsuchte, an dem sie sich mit seinesgleichen auf engstem Raum konfrontiert sahen, kam es nur zu oft vor, dass sie ihre sprichwörtliche coolness für den Moment vergaßen.
Möglicherweise war es eine unbewusste Reaktion, möglicherweise auch nicht: jedenfalls erkannte er den Widerwillen in ihren Blicken. Kein Wunder, dass Amanda ihn verlassen hatte. Er konnte sich ja nicht einmal selber leiden.

Manchmal fand man in den Müllkübeln entlang der Mall Promenade noch was Brauchbares zum essen. Hier ein halbes Sandwich, da einen angefressenen Hot Dog oder einen Yodel...
Es war Essenszeit, und der Magen hing Miller in den Knien, also begann er nun damit, die Eimer zu durchstöbern und wurde auch bald fündig. In der quadratischen Schachtel waren noch zwei Stücke Pizza übrig, und er hatte einen Blaubeermuffin – kaum gebraucht – und einen viertel Donut; beinahe ein Festmahl, wenn der Hunger erstmal die Geschmacksnerven abgetötet hatte.
Dennoch fiel es nicht leicht, auf Dauer auf die grundlegenden und einfachsten Dinge zu verzichten; ein richtiges Heim, richtiges Essen, das nicht erst jemand vorher weggeworfen hatte oder vielleicht sogar mal ein Bier in der Kneipe (auch wenn Miller, entgegen der weit verbreiteten Meinung, dass jeder Penner automatisch auch ein Süffel sei, selten Alkohol konsumierte). Die meisten Leute wussten gar nicht, wie gut es ihnen ging.

Der Stand der Sonne zeigte Miller, dass es um die Mittagszeit sein musste. Sein Rücken schmerzte, und die Stelle, an der sein Seesack ihm am Buckel klebte, war nassgeschwitzt. Also entschied er, dass er sich eine Ruhepause verdient hatte. Wenn man erstmal eine gewisse Zeit seines Lebens mit Nichtstun verbracht hatte, so glaubte Miller festgestellt zu haben, während er auf einer Bank vor sich hin sinnierte, konnte man eine Menge über sich lernen.
Zum Beispiel, dass ein zugewuchertes Gesicht einem in manchen Nächten einen gewissen Schutz gegen die Kälte bieten konnte. Und dass so ein Bart nach einer Weile einen ziemlich üblen Geruch verströmte, wenn man nicht mehr so regelmäßig zum duschen kam, wie man es aus früheren Zeiten vielleicht mal gewohnt war. Und dass überhaupt das ganze Leben anfing zu stinken.

Man konnte allerdings auch eine Menge über andere Menschen lernen. Über Menschen, die sich in einer Tour über ihre Jobs beschwerten, und dann gingen sie abends in die Kneipe und lamentierten weiter darüber, wie beschissen sie vom Leben behandelt wurden und tranken ihr Bier und ihre Kurzen, und dann gingen sie dazu über, ihre Frauen vor wildfremden Leuten runter zu machen. Und dann wurde gelacht und weiter getrunken, und wenn die Frau Glück hatte, schlief der Alte direkt ein, wenn er um Mitternacht (denn er war ja ein verantwortungsvoller Familienvorstand, der am nächsten Morgen früh raus musste, damit Frau und Kinder nicht verhungerten) volltrunken nach Hause kam.
Wenn sie Pech hatte, gab's erstmal was in die Fresse, und dann durfte sie sich nochmal in die Küche stellen um dem Arschloch was zu essen zu machen, und zur Belohnung kriegte sie es anschließend noch ordentlich besorgt und hoffte in dieser ganzen Zeit, während sie gegen ihren Ekel ankämpfte, nur darauf, dass wenigstens die Kinder tief und fest genug schliefen, damit sie am nächsten Tag nicht einmal mehr diese bohrenden, unangenehmen Fragen stellten, warum Daddy sie nicht mehr lieb hatte und...

Daniel hatte auch mal eine Familie gehabt. Aber Amanda und die Kinder hatten ihn verlassen.
Er hatte schon von Ex-Ehepartnern gehört, die nach der Trennung ein freundschaftliches Verhältnis pflegten. Ein freundschaftliches Gespräch – das war auch so eine Sache, die jemand wie er manchmal vermisste. Aber Freundschaft hin oder her: das traf auf ihn und Amanda nicht zu. Er hatte weder von ihr noch den Kindern je wieder etwas gehört. Die Scheidungspapiere lagen wahrscheinlich immer noch beim Anwalt und warteten darauf, dass er seinen Namen darunter setzte. Und er glaubte, sich zu erinnern, dass auch er mal einen Job gehabt hatte.

Daniel musste unwillkürlich lächeln: war es denn tatsächlich möglich? Irgendetwas tief in seinem Inneren sagte ihm, dass er sogar Spaß an seiner Arbeit gehabt hatte. Er versuchte sich vorzustellen, wie er in Anzug und Krawatte die Bank betrat und anderen Anzug- und Krawattenträgern einen Kredit aufschwatzte oder einem jungen Paar ein Haus oder wie er Geld für die Mafia wusch. Nein, das war's eher nicht.

Vielleicht in einer schicken Uniform hinten auf dem Trittbrett eines Müllwagens? Schon eher. Erfahrung mit Müll hatte er ja zumindest in den letzten...verdammt, er spürte ein leichtes Schwindelgefühl in sich aufsteigen, wie lange denn nun schon? An manchen Tagen, wenn er Lust hatte, war er das gesamte Areal abgelaufen, nur um die Zeit totzuschlagen.
Er kannte den Central Park sicher wie kaum ein anderer. Er wusste, respektive vermutete, dass er, seit er den Central Park quasi zu seinem neuen zu Hause auserkoren hatte, diesen nie verlassen hatte. Aus irgendeinem Grund, der ihm gar nicht bewusst war, jagte ihm die Welt da draußen eine Höllenangst ein.
Wie lange musste einer hier verbracht haben, um sich so gut auszukennen wie er? Er war sich nicht sicher, ob er die Antwort wirklich wissen wollte.

Immer wenn Daniel Miller seine Ruhe haben wollte, verzog er sich unter eine der Brücken rund um das Jacqueline Kennedy Onassis Reservoir. Eigentlich wollte er das die meiste Zeit. Aber in manchen Augenblicken fehlte ihm ein Gespräch mit irgendeinem, den er nicht mit Brot füttern musste, damit der ihm zuhörte. Der ihm vielleicht gelegentlich auch mal eine Antwort gab. Oder einen Antrieb. Notfalls einen Arschtritt um wieder auf die Beine zu kommen. Denn irgendeine Stimme sagte ihm, dass er sich das Leben, so wie er es jetzt lebte, nicht einfach ausgesucht hatte.
Aber die einzige Stimme, die er hörte, war die in seinem Kopf, und die wusste er nicht zu deuten. Die letzte Unterhaltung, an die er sich erinnerte, hatte er mit einem jungen Cop geführt, der ihn unvermittelt angesprochen hatte.

„Hey, Mann! Du hast da irgendwas in deinem Bart.“

„Ich weiß, Officer. Hab mir noch was zum Abendessen übrig gelassen.“

„Aber es bewegt sich.“

„Ich weiß; ich jag mir mein Essen gerne selber.“

Der Bulle hatte nur ungläubig den Kopf geschüttelt und seine Runde fortgesetzt. Die Cops, die hier manchmal, aber nicht zu oft, ihre Runden drehten, waren normalerweise auch ziemlich locker drauf. Die hatten hier Besseres zu tun, als sich um einen wie ihn zu kümmern. Einige mochten diese friedlichen Spaziergänge im Park gar genießen. In irgendeinem kleinen Kaff in den Südstaaten hätte der Bulle sicher erstmal die Gummiknüppel-Polka auf Miller's Haupt getanzt.
Miller hatte keine Ahnung, warum er gerade in diesem Moment an diese Episode denken musste. Aber für den Bruchteil einer Sekunde zauberte die Erinnerung daran etwas ähnliches wie ein Lächeln auf sein Gesicht. Dann schlief er ein.

Als Daniel Miller das nächste mal die Augen aufschlug, dämmerte es bereits. Er war etwas verwirrt, denn er hatte einen seltsamen Traum gehabt. Das war nicht weiter ungewöhnlich. Er träumte oft seltsame Dinge; aber was ihn beunruhigte, war die Intensität des Traumes: er war genau hier unter der Brücke eingeschlafen, und ein Mann war zu ihm hin getreten und hatte ihn geweckt. Und obwohl er diesen Mann - der ihn ein wenig an Perry King, zu der Zeit, als sie Trio mit vier Fäusten gedreht hatten, erinnerte - im wahren Leben nicht kannte, erschien er ihm im Traum wie ein alter Freund.
Soweit so normal. Er schrieb es seinem Unterbewusstsein zu; irgendein Kerl vermutlich, der irgendwann mal neben ihm auf einer Parkbank gesessen hatte oder etwas in der Art. Auch die Örtlichkeit hatte sich verändert, und er hätte im Nachhinein nicht zu sagen vermocht, ob sie real oder seiner Fantasie entsprungen war, was auch nicht weiter ungewöhnlich war. Miller wusste, dass auch andere Menschen solche Träume hatten.

„Sieh in deine Tasche“, hatte der Mann zu ihm gesagt. Miller hatte ihn mit dem leicht verblödeten Gesichtsausdruck eines Mannes angesehen, der gerade von einer wildfremden Person geweckt worden war.

„SIEH, VERDAMMT NOCHMAL, IN DEINE TASCHE!“

Das war alles gewesen. Dann war er auf einmal wieder woanders, aber er wusste nicht, wo das war und hatte den Rest auch schon wieder vergessen, noch ehe er aufgewacht war. Nur dieser Kerl und dieser eine Satz: Sieh in deine Tasche – das war alles, was hängen geblieben war. Aber abseits dieser Intensität war es vor allen Dingen dieses sonderbare Gefühl, welches er schon morgens beim Aufwachen verspürt hatte und in diesem Moment gerade wieder, das ihn dazu veranlasste, seine Taschen zu durchsuchen.

Nachdem er sämtliche Taschen seines Mantels, des Hemdes und der Hose durchsucht hatte, schalt er sich selber einen Narren. Natürlich war das alles Blödsinn gewesen. Ein Traum eben nur.
Dann fiel sein Blick auf den Seesack, seinen ständigen Begleiter. Noch eine Tasche. Zumal eine, über deren kompletten Inhalt er sich nicht im Klaren war. Miller schleppte diesen verdammten Seesack nun schon wer-weiß-wie-lange mit sich herum und wusste nicht einmal genau, was sich alles darin befand.
Natürlich eine Decke, die ihn vor den kalten Nächten schützte; sogar Kleidung zum wechseln. Und sonst? Er suchte sich eine einigermaßen saubere Stelle unterhalb der Brücke, öffnete den Sack und begann den Inhalt ordentlich vor sich auszubreiten; eine Decke, Kleidung, Taschentücher, noch mehr Kleidung, eine Beanie, eine Flasche Haarshampoo (wo kam die denn her? So weit war er bisher noch nie in den Seesack vorgedrungen), noch mehr Kleidung und dann – ihm stockte der Atem – eine weitere Tasche; eine Art Rucksack, mehr eine Umhängetasche, olivgrün, wie ihn die Kids heute oft als Schultaschen verwendeten.
Miller zog ihn ganz aus dem Seesack heraus und öffnete auch diese Tasche. Und dann hielt er plötzlich ein Paket in den Händen; ein harter, nicht allzu schwerer Gegenstand, eingewickelt in Zeitungspapier. Miller brauchte das Paket nicht auszuwickeln um zu wissen, dass es sich hierbei um eine Waffe handelte, tat es aber dennoch.
Was er fand, war eine Glock 22, Kaliber .40 S&W, 16 Schuss (Miller ließ das Magazin heraus gleiten, warf einen kurzen Blick darauf und verriegelte wieder), voll geladen. Er war nicht einmal allzu sehr überrascht, dass er sich damit auskannte, und das hätte ihn, in Bezug auf die völlige Unwissenheit seine Vergangenheit betreffend, sicher beunruhigen sollen.
Tat es aber nicht. Vielmehr spielte Daniel Miller schon gedanklich die Möglichkeiten durch, die ihm in dieser neuen Situation offenstanden.



Jonathan Dworski führte einen kleinen Lebensmittelladen in der Columbus Avenue nahe der Central Park West. Er führte diesen Laden jetzt in der dritten Generation. Sein Großvater hatte ihn gegründet, nachdem er 1934 aus Nazi-Deutschland emigriert war, da er nicht naiv genug gewesen war, nicht zu wissen, was ihm unter der damaligen Regierung als polnischem Juden geblüht hätte. Er hatte damals nicht alles von seinem nicht ganz unbeträchtlichen Vermögen mit in die Neue Welt retten können. Allein beinahe ein Drittel davon war an Bestechungsgeldern, die seiner Flucht gedient hatten, in diverse Kanäle geflossen. Aber es hatte immer noch gereicht, um dieses kleine Geschäft hier in der Columbus Ave eröffnen zu können.

Jonathan Dworski selbst hatte den Laden 1993, nach längeren Diskussionen mit seinem Vater und der Pflichterfüllung der Familientradition, dass der Vater das Geschäft an seinen Sohn weitergab geschuldet, übernommen. Da war er gerade 30 Jahre alt gewesen und hatte eigentlich gänzlich andere Ziele verfolgt.
Inzwischen war er 47, hatte kaum noch Haare auf dem Kopf und jeden Tag das Gefühl, dass das Leben an ihm vorbeigerauscht war.
Während Dworski & son zu seiner Entstehungszeit noch den Zweck erfüllt hatte, eine Familie zu ernähren, war der Laden heute nicht mehr als ein geduldeter Anachronismus, dem die Malls in der näheren Umgebung zunehmend zu schaffen machten. Deswegen, und weil er obendrein ein knauseriger Hund war, hatte er während der gesamten 17 Jahre seiner Amtszeit nie einen Angestellten beschäftigt. Dafür achtete er peinlich genau darauf, dass die zwei Überwachungskameras, die wohl den größten Wert im gesamten Laden darstellten und ihm ein gewisses Gefühl von Sicherheit und Kontrolle vermittelten, stets in Ordnung waren und die gesamte Anlage einmal im Jahr gewartet wurde.
Aber diese vermeintliche Sicherheit konnte nur allzu leicht trügerischer Natur sein.

Es war bereits nach 21 Uhr, und Dworski hatte schon vor einigen Minuten den Laden abschließen wollen. Aber es war noch eine Frau mit ihrer kleinen Tochter – Dworski schätzte das Mädchen auf etwa 4 oder 5 Jahre – im Laden und konnte sich offenbar nicht entscheiden, was sie brauchte. Zudem war er bei der Abrechnung hängen geblieben und hatte darüber glatt die Zeit vergessen.

Als dann die Eingangstür aufschwang, ging sein Kopf ruckartig in die Richtung, aus der ihm sein Instinkt eine potentielle Gefahr signalisierte. Der Umstand, dass der Mann in seinem abgewetzten, vor Schmutz starrenden Mantel ziemlich abgerissen aussah und eine selbst gebastelte Sturmmaske trug, die nur Augen- und Mundpartie freiließen, schürte nicht gerade Dworski's Vertrauen in dessen ehrenwerte Absichten. Dennoch versuchte er nach außen hin Ruhe und Gelassenheit auszustrahlen.


„ Sorry, Mann, wir haben schon geschlossen.“

Es war ein Instinkt, ein blöder zugegebenermaßen, und das wusste Dworski in dem Moment, da die Worte über seine Lippen gekommen waren. Er wollte noch etwas hinterher schieben, um die Situation womöglich doch noch zu entschärfen. Aber da hatte der späte Besucher schon den Lauf einer Knarre auf ihn gerichtet, noch bevor Dworski selber an seine Flinte, eine Sauer Drilling, Kaliber .222 Rem, die er unter der Theke verstaut hatte, herankommen konnte.

„Quatsch keine Opern, du Arsch! Deine Borschtsch-Scheiße kannst du für dich behalten“.

Borschtsch ist russisch, du ungebildeter Penner.

„Mach die Kasse auf und rück die Kohle raus, und wir sind hier Ruck-Zuck wieder draußen.“

Im hinteren Teil des Ladens, da wo die Körperpflege- und Wellnessartikel in den Regalen gestapelt lagen, war ein Rascheln zu hören, wie von einer Plastikverpackung, das die Aufmerksamkeit des Eindringlings erregte. Dworski fielen sofort die Frau und das Kind ein, die irgendwo dort hinten sein mussten. Die Waffe immer noch auf Dworski gerichtet, machte sich der Räuber, rückwärts einen Schritt nach dem anderen hinter sich setzend, auf den Weg in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war.



Daniel Miller hatte sich auf den Weg gemacht. Noch immer machte ihm die Vorstellung Angst, was ihn da draußen erwarten würde. Aber nun hatte er ein Mittel in der Hand bzw. in seiner Manteltasche, das ihn vor der Welt da draußen schützen konnte. Andererseits – wer oder was würde nun die Welt vor ihm schützen?

Es war ein merkwürdiges Gefühl wieder draußen zu sein. Nach und nach kamen ihm die Eindrücke, die er sammelte, bekannt vor. Er hatte sich noch nicht allzu weit von der Heimat entfernt; schlurfte die Central Park West entlang bis er die Columbus Ave erreichte. Die Umhängetasche hatte er mitsamt ihres restlichen Inhalts, den er noch nicht weiter untersucht hatte, über seine rechte Schulter gehängt. Die Glock, die er, ebenfalls auf der rechten Seite in seiner Manteltasche verstaut, mit der Hand fest umklammert hielt, gab ihm ein gewisses Gefühl von Macht. Er war keiner, den man rumschubsen konnte. Er war gerade in die Columbus Ave eingebogen, als er den Mann vor dem Geschäft stehen sah.

Dworski & son. Wer gab einem Geschäft in diesem Jahrhundert noch einen solchen Namen? Aber dieser Gedanke war sekundär. Im Vordergrund stand die Erkenntnis, dass der Typ, der da vor dem Laden herumlungerte und der nur unwesentlich weniger schäbig gekleidet war als er selber, sich seltsam verdächtig verhielt. Er schien nervös zu sein und blickte sich fortwährend nach allen Seiten um. Aber sein Hauptaugenmerk richtete sich ganz offensichtlich auf das Ladeninnere.

Miller spürte, wie sich jeder Muskel in seinem Körper spannte. Ganz klar: da war irgendwas im Busch. Und noch bevor Miller diesen Gedanken ins Reich seiner eigenen Paranoia verweisen konnte, hatte der Kerl sich eine Maske über das Gesicht gestreift und betrat den Laden.



Fortsetzung folgt...


Sämtliche Rechte an „Miller goes shopping“ liegen bei Nick Evans




vip

Countdown bis zur Veröffentlichung einer neuen Kurzgeschichte von Nick Evans läuft (03.05.2010)

Liebe Leserinnen und Leser,

ursprünglich sollte eine weitere Kurzgeschichte von Nick Evans bereits Ende letzten Monats von mir eingestellt worden sein.
Der Autor hat auch pünktlich geliefert, leider war es mir jedoch aus Zeitgründen nicht vergönnt, die Einstellung der Kurzgeschichte auch umgehend vorzunehmen.

Heute um 22.00 Uhr MESZ wird aber Teil 1 der exklusiv für Nick Evans & Friends: Fan- und Kurzgeschichten Blog produzierten Kurzgeschichte von Nick verfügbar (und bis auf weiteres auch NUR DORT zu finden) sein.
Am Donnerstag, 06.05.2010 erscheint dann an gleicher Stelle der zweite und abschließende Teil.

Ich freue mich auf Sie und wünsche Ihnen schon jetzt viel Spaß beim Lesen!




vip