Erste Gehversuche (16.04.2013)

Kurzgeschichten schreiben – mehr als nur ein Hobby? (Teil 4)

Liebe Leserinnen und Leser,

als Mensch, der immer nach dem Motto think blue gelebt hatte, war es mir stets möglich gewesen, jedem noch so widrigen Umstand etwas Positives abzugewinnen. Und mein Selbstkonzept hätte kaum stabiler sein können. Wenn etwas so lief, wie ich mir das vorgestellt hatte, dann hatte ich dies meinen Fähigkeiten zu verdanken. Wenn es einmal anders lief… nun, dann war das eben Pech gewesen! Differenzierter darüber nachzudenken hatte für mich bis dahin keinen Sinn gemacht. Doch mit der Familiengründung änderte sich das schlagartig. Und plötzlich vollzogen sich die ersten Planspiele in meinem Kopf.
Zu Beginn spielte sich dieser Vorgang eher sporadisch und unterbewusst ab. Ich ertappte mich manchmal dabei, wenn eine nicht routinemäßige Entscheidung zu treffen war. Doch eine Familiengründung beinhaltet schließlich auch ein Mehr an Verantwortung, welche man zu tragen hat. Daher habe ich dem damals keine besondere Bedeutung beigemessen. Zudem verschafften mir Job und Familie ausreichend Ablenkung.
Aber ebenso, wie man vielleicht einmal die (vermeintlich) falsche Entscheidung trifft, welche letzten Endes etwas Positives zur Folge hat, gibt es auch den umgekehrten Fall. Und in dem Bewusstsein, mich von mehr oder weniger einem auf den anderen Tag in eben dieser Situation zu befinden, brach dieser Krieg in meinem Kopf aus. Das absolute Chaos! Ich stellte nicht nur meine Entscheidungsfähigkeit für die Zukunft in Frage, sondern auch jedwede Entscheidung, die ich in der Vergangenheit getroffen hatte. Kaum etwas war noch in der Lage, mich auf andere Gedanken zu bringen. Weder Job noch Familie. Ständig ging ich was-wäre-gewesen-wenn Szenarien in meinem Kopf durch und handelte zudem Fragen ab, die ich mir - berechtigt oder nicht - zuvor niemals gestellt hatte. Nachts träumte ich dann davon.
Langsam aber sicher wurde mir schließlich klar, dass ich lediglich eine neue Erkenntnis gewonnen hatte, mit der ich noch nicht klar kam: ich war mir immer selbst zu wichtig gewesen. Alles andere hatte ich irgendwie verdrängt. Und nun sollte ich die Quittung dafür erhalten.

Eine Erleuchtung oder wie immer man das auch nennen will, ist die eine Sache. Etwas daraus zu machen eine andere. Um das, was in meinem Kopf umher spukte zu verarbeiten, begann ich schließlich alles aufzuschreiben. Zunächst in Form eines Tagebuchs. Aber bereits nach kurzer Zeit erschien mir diese Vorgehensweise irgendwie zu banal. Also entschloss ich mich dazu, eine Art Tatsachenroman zu schreiben. Doch während ich die ersten Seiten niederschrieb musste ich mir gleichzeitig eingestehen, dass das nun wirklich niemanden interessieren würde. Unabhängig davon, dass ich insbesondere in Bezug auf meine berufliche Tätigkeit eher lustige Geschichten zu erzählen gehabt hätte. Und nach Lustig war mir nicht!
Blieb noch die frei erfundene Geschichte. Sie hatte für mich den Vorteil, dass ich mich keinem Seelen-Striptease unterziehen müsste. Man würde kaum nachvollziehen können, welche Wesenszüge meiner Charaktere geschaffen und welche übertragen, welche ihrer Gefühlsregungen der Fiktion des Autors entsprungen und welche autobiographisch waren. Und wenn die Orte der Handlung dann auch noch fernab der Heimat lagen, sollte einer augenscheinlichen Selbstoffenbarung ausreichend vorgebeugt sein. Jetzt fehlten nur noch die richtigen Stories. Grundsätzlich einfacher gesagt als geschrieben.

Während manche Schriftsteller offensichtlich nur ein Bedürfnis befriedigen wollen, also das bedienen, was bei einem Gros der Leserschaft gerade angesagt ist, schreiben andere sicherlich auch weil sie glauben, der Welt etwas mitteilen zu müssen. Egal, ob das gewählte Genre gerade aktuell ist oder nicht.
Beides will gekonnt sein! Wobei die Vorteile für Autoren, die sich dem Mainstream anpassen, auf der Hand liegen. Zumindest so lange sie noch unbekannt sind.
Ich habe mir damals noch keine Gedanken darüber gemacht. Für mich war das ein Experiment. Die Antwort auf die Frage, ob ich Dinge inhaltlich verpacken konnte, die mich beschäftigten. Und das Schreiben selbst lenkte mich von meinen ursprünglichen Problemen ab. So seltsam das klingen mag.

Die Ideen sprudelten und ich war überzeugt, daraus einen ganz ordentlichen Roman machen zu können. Wenn ich mir noch ein wenig mehr Mühe gegeben, vor allem aber mehr Zeit gegönnt hätte… wer weiß? Doch ich habe in dieser Hinsicht so ziemlich jeden Fehler begangen, den ich machen konnte. Und das sollte Folgen haben…


Fortsetzung folgt…


Weitere veröffentlichte Artikel in dieser Reihe finden Sie im VIPArchiv (Navigationsleiste):

Mai 2012 - Reif zur Veröffentlichung? (04.05.2012)
Kurzgeschichten schreiben – mehr als nur ein Hobby? (Teil 3)

März 2012 - Manchmal kommt es anders… (26.03.2012)
Kurzgeschichten schreiben – mehr als nur ein Hobby? (Teil 2)

Februar 2012 - Am Anfang war VIP (15.02.2012)
Kurzgeschichten schreiben – mehr als nur ein Hobby? (Teil 1)




vip

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Vielen Dank für Ihr Feedback. Ihr Kommentar wird unverzüglich nach Überprüfung durch den Moderator freigeschaltet. In der Regel erfolgt dies innerhalb von 24 Stunden.