1000 Dollar, pick up - Eine Kurzgeschichte von Nick Evans (28.08.2010)

Danny Kressler malte sich schon aus, was er alles mit dem Lottogewinn anstellen würde.
Er hatte keine großen Wünsche. Vielleicht eine kleine Bar mitten in Indian Springs. Dort könnte er dann den ganzen Tag Bier trinken und vielleicht Karten spielen. Obwohl, über das mit dem Karten spielen würde er mit sich reden lassen. Susan hatte da ganz eindeutig die besseren Argumente, die dagegen sprachen.

Da war zum Beispiel diese eine Sache gewesen, wo er sein gesamtes Geld verzockt hatte. Und das war nicht wenig gewesen. In den späten 80-ern bis in die frühen 90-er hatte er einen Haufen Kohle als Schauspieler in einer Seifenoper verdient. Danach waren die Angebote ausgeblieben und Danny hatte das Saufen angefangen und später dann das Spielen.
Das war die Zeit gewesen, als es zwischen ihm und Susan zu kriseln begann. Als schließlich nichts mehr von dem Geld übrig war, waren sie von New York weggezogen, hierhin, in die Einöde von Nevada.
Und nun schien das Glück tatsächlich wieder auf ihrer Seite zu sein. Mit 12,5 Millionen Dollar konnten sie wieder ein Leben führen, für das sich Susan nicht schämen brauchte. Nun musste er ihr nur noch ausreden, wieder in die Großstadt ziehen zu wollen. Danny fühlte sich hier wohl. Hier, wo ihn niemand auf seine Vergangenheit ansprach und er einfach nur Danny war. Wieso wollte Susan das nicht verstehen?

„Ich beneide dich ja so, Danny.“

„Linus!“ Kressler schüttelte in einer verzweifelten Geste den Kopf und hielt abwehrend die Hände vor sein Gesicht.

„Ich will das nicht hören.“

„Alles klar, Danny.“

Nichts war klar. Linus Leamas war verletzt. Linus war leicht zu verletzen. Weil er ein Mensch war, dem diese eine besondere Eigenart, die sie allgemein Selbstachtung nannten, vollkommen abging. Er war ein kleiner rundlicher Mann ohne Ecken und Kanten, ohne Hoffnung, ohne Leidenschaft, ohne Leben, ohne Ehrgeiz und ohne Hals. Seine über Jahre angestaute Wut war Verzweiflung gewichen, sein Selbsthass der Resignation.


Sheriff Benson las die Sportberichte in der Zeitung als Linda ihm den Kaffee brachte. Er nippte dran und stellte fest, dass er zu heiß war indem er sich die Schnauze daran verbrannte. Er tat es mit einem stillen Fluch ab und bat Bertha, die gute Seele und Kaffee- Fee des Sheriff-Office, noch etwas kalte Milch nachzuschütten.
Cyrus Benson absolvierte bereits seine dritte Amtszeit in Indian Springs. Aber nachdem es sich abzeichnete, dass es für ihn zu einem erneuten Wahlerfolg nicht reichen würde, war es ihm eigentlich auch egal. Sollten sie doch sehen, wie sie ihren Scheiß ohne ihn auf die Reihe bekamen. Hier passierte sowieso nie etwas Aufregendes. Und nachdem seine Frau Bellinda vor zwei Jahren an Leukämie gestorben war, hielt ihn in diesem Kaff eh nichts mehr. Die weite Welt lockte, und mit 42 Lenzen hatte er das Leben noch vor sich.
Die Wahl war in zwei Tagen, und danach würde er dem Allen hier Lebewohl sagen. Er wusste schon gar nicht mehr, wie viele Ehestreitigkeiten er in all den Jahren hatte schlichten müssen oder wie viele langhaarige Störenfriede aus der Stadt jagen. Das und ein paar kleinere kriminelle Delikte ahnden war alles, woraus seine Tätigkeit bestanden hatte. Aber er wusste, dass heute etwas passieren würde. Er wusste es.


Linus zog sich einen Stuhl an den Esstisch, der früher mal eine Werkbank gewesen war und nahm Danny gegenüber Platz. Wenn er jetzt aus dem Fenster sah, hatte er einen grandiosen Ausblick auf die vier Zapfsäulen vor der Hütte und geschätzte tausend Meilen Wüstensand in jeder Richtung.
Der wilde Westen existierte. Tatsächlich wohnten die beiden nur wenige Meilen von der Tankstelle entfernt.

„Ich will wirklich nicht nerven, Danny, aber hast du schon mal ernsthaft darüber nachgedacht, was du mit dem Geld anfangen wirst?“

„Nicht ernsthaft, nein. Aber ich denke, ich werde irgendwas Kleines aufziehen. Ich hab da an eine Bar gedacht. So mit Pool-Tischen, Table-Dance, Karaoke und vielleicht eine Kleinkunstbühne für junge Nachwuchszauberer oder so was in der Art. Und wenn du endlich mal aufhörst, dich selber zu bemitleiden, mach ich dich zu meinem Geschäftsführer. Na, wie klingt das für dich?“

Leamas lächelte und ließ eine Reihe schief gewachsener Zähne aufblitzen.

„Hört sich klasse an, Danny. Was würd ich nur ohne dich machen? Du bist praktisch meine einzige Familie.“

„Red keinen Blödsinn, Linus! Du hast einen Sohn.“

Es stimmte. Linus Leamas hatte einen Sohn aus einer kurzlebigen Ehe – wenngleich diese nie geschieden worden war – der mit seiner Mutter irgendwo in New Mexico lebte und von dem er in 18 Jahren vielleicht zehnmal gehört hatte. Das letzte mal lag allerdings gerade erst eine Woche zurück.

„Na siehst du, Linus; das ist bestimmt ein gutes Zeichen. Und wenn er erst sieht, wie sein Daddy hier das Nachtleben aufmischt...Mein Gott, Danny! Du bist gerade mal...wie alt? 46?“

„40. Nächsten Monat.“

Danny Kressler räusperte sich verlegen.

„Wie auch immer. Worum es geht, ist, dass du dich mal von allen anderen Dingen abnabelst und endlich anfängst, dein eigenes Leben in den Griff zu kriegen.“

Draußen vor der Tür hielt ein alter Pick Up, aus dem ein junger Mann stieg, und eine der Zapfpistolen in den Tank einführte.
Endlich einmal wieder Kundschaft. Kressler war froh, das unangenehme Gespräch auf diese Weise beenden zu können. Der junge Mann, Danny schätzte ihn auf ungefähr 18, 19 Jahre alt, kam in den Verkaufsraum, während Danny von hinten durch die Verbindungstür zur Werkstatt hinter die Theke trat.

„Guten Tag, Sir. Könnten Sie bitte die Eins freischalten?“

„Wie viel darf 's denn sein?“

„Einmal voll machen, bitte!“

Danny gab die Säule frei und stützte sich lässig mit einem Ellenbogen auf dem Tresen ab.

„Kann es sein, dass ich Sie irgendwoher kenne?“, fragte der junge Mann unvermittelt.

„Eher unwahrscheinlich. Na ja, ich hab früher einmal ein bisschen was im Fernsehen gemacht. Aber da waren Sie noch zu jung. Das war in den frühen 90-ern.“

„O mein Gott! Sie sind Danny Kressler aus Nur der Wind fühlt deine Leiden. Meine Mutter hat jede Folge gesehen. Überall in unserem Haus hängen Bilder von Ihnen, die sie aus Magazinen ausgeschnitten hat. Ich bin sozusagen mit Ihnen aufgewachsen.“

Danny errötete ein wenig.

„Das macht mich ein bisschen verlegen, aber ich freue mich immer, wenn ich Menschen kennen lerne, denen mein Name heute noch ein Begriff ist.“

„Ehrlich gesagt, Sir, für mich war's die Hölle. Ich habe Sie all die Jahre gehasst, ohne Sie je wirklich kennen gelernt zu haben. Und jetzt, in diesem Moment, empfinde ich überhaupt nichts. Aber ich muss das tun.“

Danny Kresslers Gesicht spiegelte in den letzten Augenblicken seines Lebens gleichermaßen ungläubiges Staunen wie auch begreifendes Entsetzen wider. Die Kugel durchschlug von unten in einem 30°-Winkel sein Kinn und zerfetzte seinen Unterkiefer bevor sie die hintere Schädelplatte wegsprengte.
Kressler war tot, noch bevor sein Körper den Boden berührte. Linus Leamas hatte Mühe, nicht in das Blut auf dem Fußboden zu treten, denn da war eine ganze Menge von vorhanden.

„Ich sollte jetzt von hier verschwinden, bevor die Bullen auftauchen“, sagte Frank Leamas.

„Ja, solltest du. Aber steck die Knarre weg, bevor du hier raus marschierst. Oder sollen sie dich gleich vor der Tür kassieren?“

Frank Leamas steckte die Waffe hinten in den Hosenbund, so dass sie von dem knielangen Mantel gänzlich bedeckt war.

„Wo ist mein Geld? 20.000 waren ausgemacht.“

„Ja, weißt du, ich hab leider gerade nur 1000 da.“

„Willst du mich verarschen?“

Frank griff nach seinem Colt aber Linus war schneller.

„Äh äh! Versuch's gar nicht erst. Hör zu; nimm die Kohle oder lass es! Mehr wirst du von mir nicht zu sehen kriegen.“

„Verdammt Linus! Du bist mein Vater“, geiferte Frank, außer sich vor Wut.

„Vom biologischen Standpunkt aus betrachtet hast du wohl recht. Obwohl man sich da bei deiner Mutter auch nicht so sicher sein kann. Aber sein wir doch mal ehrlich: was verbindet uns beide denn außer dieser vermeintlichen Tatsache? Du nennst mich ja nicht mal Dad. Nein mein Junge. Das, was ich deiner Mutter in all den Jahren an Unterhalt für dich abgedrückt hab, geht weit über die 20 Mille hinaus. Letzte Chance. Nimm es oder lass es!“

Linus griff nach dem Telefonhörer und wählte eine Nummer. Die tausend Dollar hatte er auf den Tresen gelegt.

„Der Sheriff wird gleich hier sein“, ermahnte Linus seinen Sohn erneut.

Doch statt nach dem Geld griff Frank erneut in seinen Hosenbund, da er meinte eine Unachtsamkeit bei Linus entdeckt zu haben. Aber er hatte sich getäuscht. Der Schuss traf ihn mitten ins Herz.

„Dummer Junge! Der kommt nicht nach mir.“


Draußen setzte der Regen ein. Das Telefon klingelte zum dritten mal, als Susan Kressler den Hörer abhob.

„Erledigt“, gab sich Linus Leamas kurz angebunden.

„Und, wie ist es gelaufen?“

„Besser als erwartet.“

„Dann ruf jetzt Benson an. Ich liebe dich. Wir werden ein wunderbares Leben haben.“

„Ja, ein wunderbares Leben“, wiederholte Linus.

Aber da hatte Susan Kressler bereits aufgelegt.


Linus Leamas war gerade damit fertig geworden, ein paar Spuren zu manipulieren und Danny Kresslers Fingerabdrücke auf seiner Waffe anzubringen, als Sheriff Benson am Tatort eintraf.

„Jetzt noch mal in aller Ruhe“, begann Benson mit der Zeugenvernehmung. „Was genau ist hier passiert?“

„Ich hab nicht viel mitbekommen, weil ich hinten in der Werkstatt war. Ich hab zwei Schüsse gehört, und nachdem ich mich von dem Schock erholt hatte, bin ich hier rein und...“ Ein trockenes Schluchzen unterbrach Leamas' Ausführungen.

„Um Gottes Willen! ER WAR MEIN SOHN!“

Mann, bist du gut, fuhr es Benson durch den Kopf.

„Tja“, sagte Benson, während er seine Pistole aus dem Halfter zog und auf den völlig verdutzten Linus richtete.

„Dann wird das ja hier heute zu einer richtigen Familientragödie.“


Susan Kressler hob den Telefonhörer nach dem dritten Klingeln ab. Sie brauchte nicht zu fragen, wer dran war.

„Alles erledigt“, sagte Benson. „Wir werden ein fabelhaftes Leben haben.“

„Ja, fabelhaft“, wiederholte Susan.



Sämtliche Rechte an „1000 Dollar, pick up“ liegen bei Nick Evans




vip

1 Kommentar:

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